Gunther Gram
Passend zum Winterausklang liefern wir ein paar rechtliche Impressionen zum immer beliebten „Volkssport“ Rodeln. Es ist geradezu erstaunlich, in wie vielen Entscheidungen sich der OGH mit dieser Freizeitbeschäftigung befasst – offenbar geben mannigfaltigste Unfälle Anlass dazu.
Als Grundsatz gilt, dass die Verpflichtung, auf Sicht zu fahren, nicht nur im Straßenverkehr gilt, sondern auch bei der Ausübung verschiedener Sportarten, wie beim Schifahren, aber insbesondere auch beim Rodeln zu beachten ist – natürlich außer es handelt sich um wettkampfmäßige Sportveranstaltungen, aber dort sind dann auch die Rahmenbedingungen andere und es gelten eigene Regeln. Die Fahrgeschwindigkeit außerhalb des Wettkampfs ist daher auf den in seinen Details nicht vorausschauend erkennbaren Zustand der Rodelbahn auszurichten. Für die Einhaltung dieser Regel ist der Rodler grundsätzlich selbst verantwortlich und hat (so der OGH) „dem der Sportausübung anhaftenden Verletzungsrisiko durch kontrolliertes und daher bestehenden Gefahren Rechnung tragendes Verhalten zu begegnen“ – auch abhängig von den örtlichen Gegebenheiten, den Witterungs- und Sichtverhältnissen, aber auch dem persönlichen Fahrkönnen. Wer sich – gemessen an diesen Kriterien – leichtsinnig verhält und bei Dunkelheit und Schneefall ohne jedwede Beleuchtung die Rodelbahn talwärts rast, wird keinen Schadenersatz für eine dabei erlittene Verletzung erhalten. Ein Rodelbahnbetreiber darf darauf vertrauen, dass eine Rodelbahn nicht leichtsinnig und unbesonnen benutzt wird und auch, dass die Bahn vor allem in Bereichen, in welchen Hindernisse mangels ausreichender Beleuchtung nicht oder nur schlecht wahrgenommen werden können, überhaupt nicht oder nur bei entsprechend kontrolliertem Fahren (auf Sicht!) benutzt wird.
ABER nicht jeder Rodler, der sich verletzt, ist selber schuld und bleibt auf seinem Schaden sitzen,
denn eine Rodelbahn muss so beschaffen sein, dass dem Gebot des Fahrens auf Sicht bei deren sachgerechten Benützung auch entsprochen werden kann. Mit atypischen Gefahren muss der Nutzer einer Rodelbahn also nicht rechnen. Das (nämlich atypisch) sind solche Gefahren, die bei zweckgerechter Bahnbenützung über die mit dem Rodeln normalerweise verbundenen Gefahren hinausgehen und die für den Rodler auch nicht ohne weiteres erkennbar sind; gemäß der Judikatur sind z. B. Wellen und Mulden mit einer Tiefe von bis zu 40 cm auf der Oberfläche einer Rodelbahn bei Nachtbetrieb ohne künstliche Bahnausleuchtung eine atypische Gefahrenquelle; typische Gefahren hingegen (womit der Rodler also rechnen muss) sind andere Rodler, die eine Rodelbahn – und zwar selbst bei Nacht ohne Beleuchtung - benützen.
Auch mit formellen Fragen beschäftigt sich der OGH im Zusammenhang mit dem Rodeln. So hat er – Anlass war ein Rodelunfall - entschieden, dass die Einbringung einer (schadenersatzrechtlichen) Feststellungsklage (die dem Ausschluss der Gefahr der Anspruchsverjährung, der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten und der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde und dem Umfang nach dient) dann zulässig ist, wenn unfallbedingte, jedoch erst künftig entstehende Ersatzansprüche nicht auszuschließen sind, also die Möglichkeit künftiger Unfallschäden besteht (vor allem wenn die Unfallfolgen noch nicht abgeklungen sind und eine weitere ärztliche Behandlung notwendig ist), Dauerfolgen eingetreten sind oder die Möglichkeit von Spätfolgen zumindest nicht gänzlich mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden kann - somit die Möglichkeit offen bleibt, dass das schädigende Ereignis den Eintritt eines künftigen Schadens verursachen könnte. All dies war nach einem Rodelunfall nicht gegeben, weswegen der OGH den Feststellungsanspruch verneint hat. Im Zusammenhang mit einem anderen Rodelunfall hat sich der OGH aktuell auch mit Fragen der internationalen Zuständigkeit beschäftigt und erkannt, dass ein Minderjähriger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Österreich hat und auch nicht österreichischer Staatsbürger (aber Unionsbürger) ist, eine – pflegschaftsgerichtlich zu genehmigende – Klage auf Schadenersatz (Schmerzengeld) aufgrund internationaler Zuständigkeitsregeln nicht in Österreich eingebringen kann (weil für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen, die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat).
Fazit: Nicht nur am Berg, sondern auch im Gerichtssaal ist das Rodeln populär.