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Zuschauer als Gefahrenquelle beim Sportereignis (07.06.2022)
Thomas Höhne

Feuerwerkskörper, die auf dem Rasen des Fußballstadions landen, Zuschauer, die beim Radrennen die Straße überqueren - all das sind keine Ausnahmeerscheinungen. Und dass einiges passieren kann, wissen wir. Aber können Zuschauer, die einen Sportler verletzt haben, zur Haftung herangezogen werden?

Ist das Ergebnis eines solchen verantwortungslosen Handelns eine Körperverletzung, so schlägt natürlich sofort das Strafrecht zu: Fahrlässige Körperverletzung heißt das Delikt, und daraus resultieren (neben gerichtlichen Strafen) natürlich nicht nur Ansprüche auf Schmerzengeld, sondern auch auf Ersatz eines allfälligen Verdienstentgangs bei Profisportlern, aber auch, wenn der Sportlerin oder dem Sportler in der Folge lukrative Werbeauftritte entgehen.

Aber auch ohne Körperverletzung kann Schadenersatz ein Thema sein. Hier wird zu unterscheiden sein, ob der störende Zuschauer eine Eintrittskarte gelöst hatte (dann sind wir im Vertragsrecht) oder nur Zaungast, etwa bei einem Straßenrennen, ist. Mit dem Erwerb zum Sportereignis entsteht ein Vertrag zwischen Veranstalter und Zuschauer. Eine vertragliche Nebenpflicht des Zuschauers ist es, sich so aufzuführen, wie man es von einem vernünftigen Zuschauer erwarten kann, also insbesondere, keine Handlungen zu setzen, die möglicherweise jemandem Schaden zufügen können. Der unmittelbare Vertragspartner ist zwar der Veranstalter – entsteht diesem ein Schaden, so kann er diesen einfordern – aber dieser Vertrag entfaltet auch sogenannte „Schutzwirkungen zugunsten Dritter“, also zugunsten jener Personen, die voraussichtlich mit der vertragsgemäßen Leistung in Kontakt kommen würden. Und das sind jedenfalls die teilnehmenden Sportler und deren Betreuer.

Anders im Fall der Zuschauer eines Straßenrennens oder Marathons. Die haben keinen Eintritt gezahlt, es gibt also auch keinen Vertrag. Aber es gibt die allgemeine Vorschrift des § 1295 ABGB: „Jedermann ist berechtigt, von dem Beschädiger den Ersatz des Schadens, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat, zu fordern.“ Wer also von einem anderen mutwillig auf die Fahrbahn gestoßen wird, und dadurch den Radrennfahrer zu Sturz bringt, hat zwar den Schaden verursacht, er trägt aber kein Verschulden, also trifft ihn auch keine Haftung. Wer aber auf die Rennstrecke läuft, obwohl man damit rechnen muss, dass die Fahrer oder Läufer jeden Moment um die Ecke biegen können, handelt sorgfaltswidrig und damit schuldhaft.

Kann es sein, dass den Veranstalter ein Mitverschulden trifft? Durchaus. Ist etwa bekannt, dass bestimmte Zuschauergruppen mit Pyrotechnik bewaffnet erscheinen, und hat der Veranstalter nicht einmal den Versuch gemacht, das zu unterbinden und auch keinerlei Ordnerdienste eingesetzt, die im Fall des Falles schnell einschreiten können, wird er sich vielleicht ebenfalls mit Haftungsansprüchen konfrontiert sehen. Vom Veranstalter des Radrennens oder des Marathons wird man nicht verlangen, die gesamte Strecke einzuzäunen, besonders neuralgische Streckenteile, jedenfalls aber den Zieleinlauf, wird der Veranstalter aber schon sichern müssen, und wenn dort etwas passiert, das durch entsprechende Maßnahmen hätte verhindert werden können, stehen ebenfalls auf Mitverschulden gegründete Ansprüche im Raum.

Und weil wir gerade von Ordnerdiensten reden: Die kosten Geld, und die braucht man nur, wenn man schon vorher weiß, dass bestimmte Zuschauergruppen deren Einschreiten erforderlich machen werden. Für die Jungfamilie mit kleinen Kindern würde man die Ordner wahrscheinlich nicht brauchen. Kann der Veranstalter diese vorsorglich aufgewandten Kosten dann jenen Leuten vorschreiben, die durch ihr Handeln (etwa die Pyrotechnik-Würfe) die Notwendigkeit des Ordnerdienstes geradezu bestätigt haben? Leider nein. Eine ähnliche Frage stellt sich auch bei den Kosten des Ladendetektivs, der ja nur deswegen eingestellt wird, weil es Ladendiebe gibt. Aber diese sogenannten Vorhaltekosten dürfen dann auf den einmal ertappten Ladendieb nicht überwälzt werden.